PROXIDRUGS
Krankheitsrelevante Proteine gezielt zerlegen
Der Zukunftscluster PROXIDRUGS plant im Rhein-Main-Gebiet innovative Therapien für ein breites Spektrum humaner Erkrankungen zu entwickeln. Im Zentrum der Strategie steht ein Wirkmechanismus, der vor Ort – also in den betroffenen Zellen – krankheitsverursachende Proteine und andere Strukturen unschädlich macht.

Was macht den Zukunftscluster aus?
Die junge Substanzklasse der proximity- (d. h. durch Nähe) induzierenden Wirkstoffe erlaubt den gezielten Abbau von krankheitsrelevanten Proteinen und eröffnet damit neue Therapieoptionen bei einer Vielzahl von Erkrankungen – speziell bei solchen, für die bislang eine therapeutische Lücke besteht. Noch steht die systematische Entwicklung dieser Medikamentenklasse am Anfang. Die aus der Biochemie, Chemie und Pharmazie stammenden Akteure von PROXIDRUGS nutzen die Forschungserkenntnisse zu solchen „proximity-inducing drugs", um bessere Therapien für onkologische, entzündliche, infektiöse, kardiovaskuläre und neurodegenerative Erkrankungen zu entwickeln. Durch die Partnerschaft mit forschenden regionalen Pharmaunternehmen kann PROXIDRUGS alle wichtigen Schritte der Wertschöpfungskette zur präklinischen Medikamentenentwicklung abbilden und einen zügigen Technologietransfer gewährleisten.
Welche Vorteile bringt der Ansatz für den Innovationsstandort Deutschland?
Bisherige Studien lassen vermuten, dass sich rund 80 % der schädlichen, krankheitsrelevanten Proteine durch proximity-basierte Arzneimittel zielgerichtet abbauen lassen. Im Rhein-Main-Gebiet ist in europaweit einzigartiger Weise sämtliche auf akademischer und industrieller Seite benötigte Expertise in diesem Feld vorhanden. Zudem birgt der Ansatz ein großes Verwertungspotenzial für Deutschland – sowohl für die innerhalb des Konsortiums neu zu entwickelnden Moleküle als auch für die damit verbundenen Konzepte und Produktionsverfahren.
Weitere Hintergrundinformationen
Die in jeder menschlichen Zelle vorhandenen Entsorgungssysteme können genutzt werden, um krankheits-relevante Proteine gezielt abzubauen. Das gelingt mit sogenannten „proximity-inducing drugs“ –durch räumliche Nähe aktivierte Arzneimittel. Bei diesen Proxi-Wirkstoffen handelt es sich um chimäre Moleküle, die zielgerichtet einerseits das schädliche Protein und andererseits ein spezifisches Enzym binden. Einmal zusammengebracht, markiert das Enzym das krankheitserregende Protein für die Zerlegung im zellulären Schredder.
Diese Strategie hat viele Vorteile: Die Substanzen sind hochspezifisch, wirken bereits in geringen Dosen und können vor allem auch solche Ziele angreifen, für die es bislang keinen therapeutischen Zugang gab – und das sind geschätzt ca. 80 % aller Proteine. Die Vision des Zukunftscluster PROXIDRUGS beinhaltet daher, das Wirkprinzip systematisch für ein breites Indikationsspektrum nutzbar zu machen.
Zur Realisierung dieser Vision haben sich Partner aus Grundlagen-, klinischer und anwendungsorientierter Forschung im Rhein-Main-Gebiet zusammengefunden – insbesondere aus den Bereichen Medizinalchemie, Chemische Biologie, Biochemie, Strukturbiologie, Protein- Engineering, Zellbiologie, Translationale Medizin, Pharmakologie, Onkologie und Immunologie.
Ebenfalls regional vorhanden ist die zur Realisierung der Vision benötigte Expertise zur systematischen Entwicklung von Proxi-Wirkstoffen. Die erwarteten Ergebnisse haben ein großes kommerzielles Verwertungspotenzial – nicht nur in Hinblick auf die neu zu entwickelnden Moleküle, sondern auch für die zu erwartenden neuen Konzepte oder Produktionsverfahren. Durch die geplante enge Zusammenarbeit mit forschenden Pharmaunternehmen können alle wichtigen Schritte der Wertschöpfungskette bis zur präklinischen Medikamentenentwicklung abgebildet und ein zügiger Technologietransfer gewährleistet werden.
Der Zukunftscluster PROXIDRUGS baut auf umfangreiche Vorarbeiten der beteiligten Partner auf: An der Goethe-Universität hat sich die Forschung zur zellulären Qualitätskontrolle und den zugrundeliegenden molekularen Mechanismen sowie die strukturbiologische und funktionelle Analyse der beteiligten Enzyme seit vielen Jahren als wichtiger, interdisziplinär bearbeiteter Schwerpunkt etabliert. Die Goethe-Universität ist ein Standort des internationalen Structural Genomics Consortiums, das unter anderem zahlreiche hochauflösende Kristallstrukturen von Enzymen generiert hat, die nun als Grundlage für das rationale Design im Zukunftscluster-Finalisten dienen. Außerdem wurden zelluläre Testsysteme zur Validierung neuer Proxi-Wirkstoffe etabliert. An der TU Darmstadt hat sich ein Schwerpunkt im Bereich Medizinalchemie gebildet. Umfangreiche Erfahrungen existieren insbesondere in Bezug auf die chemische Induktion von Protein-Protein-Komplexen und Methoden zur systematischen Optimierung von Verknüpfungen zwischen beiden Teilen der chimären Wirksubstanzen. Am Fraunhofer-Institutsteil Translationale Medizin & Pharmakologie wurden verschiedene in-vitro und in-vivo Modellsysteme zur Wirkstoffvalidierung entwickelt. Der Institutsteil verfügt über umfangreiche Erfahrungen mit der Hochdurchsatz-Identifizierung von Bindungspartnern neuer Zielproteine.
Diese Forschungsergebnisse stellen nur eine Auswahl aus den umfangreichen Ergebnissen und etablierten Technologien bei den beteiligten Partnern dar. Insgesamt reicht das Portfolio der Expertise von der Grundlagenforschung bis hin zu pharmakologischen und klinischen Studien und dient damit als Basis für die Vision von PROXIDRUGS.
Aktuell bewilligte Projekte und darin geförderte Partner:
Abstimmung der FOXO-Transkriptionsfaktoren mit Proxidrugs für die Präzisionsimmuntherapie (ImmunoTUNE)
- AnalytiCon Discovery Zweigniederlassung der BRAIN Biotech AG
- Charite - Universitätsmedizin Berlin, Berliner Institut für Gesundheitsforschung in der Charite
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Universitätsklinikum)
- Universitätsklinikum Bonn
- Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Institut für Immunologie)
Alternative Ansätze zur Entwicklung neuer Degradations-vermittelnder Moleküle (AltTAC)
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Biophysikalische Chemie)
- Technische Universität Darmstadt (Institut für Organische Chemie und Biochemie)
Datenmanagement, Transfer und Innovation (InnoDATA)
- ENAMINE GERMANY GmbH
- Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie, ITMP
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Universitätsklinikum)
- MERCK Kommanditgesellschaft auf Aktien
- Tetra D GmbH
Erweiterte Assay- und Screening-Plattform zur Identifizierung und Charakterisierung von Proxidrugs (ProxiDETECT)
- AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG
- ENAMINE GERMANY GmbH
- Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie, ITMP
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Universitätsklinikum)
- Revvity Cellular Technologies GmbH
- Technische Universität Darmstadt (Institut für Organische Chemie und Biochemie)
FKBP-assisted Molecular Glues (FaMoGLUES)
- Technische Universität Darmstadt (Institut für Organische Chemie und Biochemie)
Identifizierung breit anwendbarer E3-Ligasen für den gezielten Abbau krankheitsverursachender Proteine über Synthese und Profilierung bi- und monovalenter Verbindungen (NewPRO)
- AnalytiCon Discovery Zweigniederlassung der BRAIN Biotech AG
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Pharmazeutische Chemie)
- Max-Planck-Institut für Biophysik
- Merck Healthcare KGaA
- Technische Universität Darmstadt (Institut für Organische Chemie und Biochemie)
Innovative molecular glues (iGLUE)
- AnalytiCon Discovery Zweigniederlassung der BRAIN Biotech AG
- CrystalsFirst GmbH
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Universitätsklinikum)
Proximitäts-induzierende Wirkstoffe gegen den Infektionserreger Legionella pneumophila (AntiMIC)
- ENAMINE GERMANY GmbH
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Biochemie II)
- Technische Universität Darmstadt (Institut für Organische Chemie und Biochemie)
- Tetra D GmbH
Spezifische zelluläre Lokalisierung von Proximitäts-induzierenden Wirkstoffen zur Verbesserung der therapeutischen Effizienz (ProxiDIRECT)
- Technische Universität Darmstadt (Institut für Organische Chemie und Biochemie)
- Tubulis GmbH
- Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Transfusionszentrale)
Zielgerichtetes Delivery von PROXIDRUGS im menschlichen Körper (BioDEL)
- AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG
- Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie, ITMP
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Pharmazeutische Technologie)
- Merck Healthcare KGaA
- Revvity Cellular Technologies GmbH
Bewilligte Projekte und darin geförderte Partner:
Entwicklung völlig neuartiger, von der Ubiquitinierungsmaschinerie unabhängiger Strategien für den Abbau oder die Löslichkeitsverbesserung von Zielproteinen (AltTAC)
- Fraunhofer-Institut für Molekulare Biologie und Angewandte Ökologie, Institutsteil Translationale Medizin und Pharmakologie
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Biophysikalische Chemie)
Datenmanagement, Transfer und Innovation (InnoDATA)
- Fraunhofer-Institut für Molekulare Biologie und Angewandte Ökologie, Institutsteil Translationale Medizin und Pharmakologie
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Biochemie II)
Eine Assay- und Screening-Plattform für Proxidrugs (ProxiDETECT)
- AbbVie Germany GmbH & Co KG
- Fraunhofer-Institut für Molekulare Biologie und Angewandte Ökologie, Institutsteil Translationale Medizin und Pharmakologie
- Technische Universität Darmstadt (Institut für Organische Chemie und Biochemie)
Innovative molecular glues (iGLUE)
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Biochemie II, Buchmann Institut, Institut für pharmazeutische Chemie)
- Technische Universität Darmstadt (Institut für Organische Chemie und Biochemie)
Innovative Technologien für Proxidrugs (InnoTECH)
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Biochemie II, Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie)
- Max-Planck-Institut für Biophysik
PROTACs basierend auf neuen E3-Liganden und Linkern (NewPRO)
- AbbVie Germany GmbH & Co KG
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Pharmazeutische Chemie, Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften, Institut für Biochemie II)
- Max-Planck-Institut für Biophysik
- Technische Universität Darmstadt (Institut für Organische Chemie und Biochemie)
PROTACs gegen neue Zielstrukturen in der Krebstherapie (AntiCAN)
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Tumorbiologie und Experimentelle Therapie, Institut für Biochemie II, Institut für Pharmazeutische Chemie, Zentrum für Zell- und Gentherapie und Buchmann Institut)
Proxidrugs gegen Infektionskrankheiten (AntiMIC)
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Biochemie II, Institut für Virologie, Institut für Biophysik und Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene)
- Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg)
Spezifisches zelluläres Trapping von Proximitäts-basierten Wirkstoffen (ProxiTRAPS)
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Pharmazeutische Chemie)
- Merck Healthcare KGaA
- Technische Universität Darmstadt (Institut für Organische Chemie und Biochemie, Fachbereich Biologie)
Überwindung biologischer Barrieren für Proxidrug-Delivery (BioDEL)
- AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG
- Fraunhofer-Institut für Molekulare Biologie und Angewandte Ökologie, Institutsteil Translationale Medizin und Pharmakologie
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Pharmazeutische Technologie)
Validierung von molecular degraders in neuronalen Modellen (AntiDEG)
- AbbVie Germany GmbH & Co KG
- Fraunhofer-Institut für Molekulare Biologie und Angewandte Ökologie, Institutsteil Translationale Medizin und Pharmakologie
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Institut für Biochemie II)
Der Fokus in der Konzeptionsphase lag auf der Identifizierung vorhandener Potenziale, der Einbindung neuer Akteure, vor allem der Pharmaindustrie, der Definition gemeinsamer Projekte und der Erarbeitung einer nachhaltigen Strategie für die langfristige Etablierung des Clusters als öffentlich-private Partnerschaft. Essentiell war in dieser Phase die Planung der PROXIDRUGS Discovery-Plattform, unter deren Dach die benötigten Technologien zur Entwicklung von Proxi-Wirkstoffen vereinigt werden.
Die Goethe-Universität Frankfurt, die TU Darmstadt und das Fraunhofer IME arbeiten hierzu mit mehreren akademischen Institutionen im Rhein-Main-Gebiet zusammen. Hinzu kommen Netzwerke wie das EU-Konsortium EUbOpen, der LOEWE-Schwerpunkt TRABITA und industrielle Partner. Die Koordination des Clusters übernimmt ein zentrales Projektteam um den Sprecher Ivan Đikić.
Auf einen Blick:
- Projektlaufzeit der Konzeptionsphase: 01.05.2020 bis 31.10.2020
- Zuwendung des Verbundes: 237.046,31 € (inkl. Projektpauschale)
- Zuwendungsempfänger: Goethe-Universität Frankfurt (GUF); Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (Fraunhofer IME); Technische Universität Darmstadt (TUD)
- Weitere Partner: Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung; Georg-Speyer-Haus; Max-Planck-Institut für Biophysik; Frankfurt Institute for Advanced Studies; Universitäres Centrum für Tumorerkrankungen; LOEWE-Zentrum Frankfurt Cancer Institute; Exzellenzcluster Cardiopulmonales Institut; Fraunhofer Exzellenzcluster CIMD zu Immunmediierten Erkrankungen, Infektionen und hepatologischen Erkrankungen; LOEWE-Schwerpunkt TRABITA. Darüber hinaus haben zahlreiche industrielle Partner ihr Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet, die Ausarbeitung der Details ist Bestandteil der Konzeptionsphase.